Meschede/Olsberg/Bestwig. „Fracking“ - dieser Begriff steht für die Gewinnung von Erdgas, das in tiefen Gesteinsschichten eingeschlossen ist. Noch vor etwas mehr als einem Jahr war das Wort höchstens Fachleuten bekannt. In die öffentliche Diskussion geraten ist Fracking durch den Einsatz teils giftiger Chemikalien und möglicher Folgen für das Trinkwasser.
Die „Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr“ - kurz AWWR -, der auch der heimische Trinkwasserversorger Hochsauerlandwasser GmbH (HSW) angehört, hat gemeinsam mit dem Ruhrverband eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Das Ziel: Die wasserwirtschaftlichen Risiken des „Frackings“ im Einzugsgebiet der Ruhr zu untersuchen. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.
Dabei hat das IWW - Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasser, ein Forschungs- und Beratungszentrum für alle Formen der Wassernutzung, den Einzugsgebiet der Ruhr „unter die Lupe genommen“. Ziel des „Fracking“ ist es, Erdgasvorkommen in so genannten „unkonventionellen Lagerstätten“ zu gewinnen. Dabei ist das Erdgas in bis zu 5.000 Meter tiefen Gesteinsformationen gebunden. Um es fördern zu können, wird das Gestein durch Einpressen von Flüssigkeit unter hohem Druck regelrecht „geknackt“. Allerdings: Die so genannte „Frack-Flüssigkeit“ enthält neben Wasser und Sand auch giftige Substanzen.
Deshalb wollten AWWR und Ruhrverband genau wissen, welche Auswirkungen das „Fracking“ auf den Wasserhaushalt in der heimischen Region hat. Hintergrund: Die Wasserwerke im Ruhreinzugsgebiet gewinnen täglich Trink- und Brauchwasser für 4,6 Millionen Menschen - und für Gewerbe sowie Industrie in einem Versorgungsgebiet, das über das Einzugsgebiet der Ruhr hinaus bis an Emscher, Lippe und Ems reicht. Mehr als 70 Prozent dieser Wassermenge stammen dabei aus Oberflächenwasser.
Deshalb empfehlen die Gutachter, als Beitrag zum vorbeugenden Gewässerschutz Ausschlussgebiete festzulegen, in denen grundsätzlich keine Tiefbohrungen mit anschließendem Einsatz der Fracking-Technologie stattfinden dürfen sollen. Dafür gebe es, so die Fachleute, zwei grundsätzliche Kriterien: Ausschlussgebiete, in denen durch ungünstige geologisch-hydrogeologische Standortbedingungen Frack-Aktivitäten mit Umweltrisiken verbunden sein können. Denn hier bestehe die Gefahr, so die Experten-Meinung, dass nutzbare Wasservorkommen nachteilig verändert werden könnten. Zudem gebe es Ausschlussgebiete, in denen - quasi als „Vorsorge“ - ein besonderes wasserwirtschaftliches Schutzbedürfnis bestehe.
Die Gutachter haben deshalb das Einzugsgebiet der Ruhr unter verschiedensten Aspekten „gefiltert“: Flächen, in denen die Deckschicht zwischen Grundwasser und „Fracking-Zone“ weniger als 1000 Meter dick ist, sind ebenso „herausgefiltert“ worden wie frühere Steinkohle- und Altbergbaugebiete, Bereiche mit geologischen Störungszonen oder Tiefenwasser. Ebenso wurden in der Untersuchung Trinkwasserschutzgebiete, Heilquellenschutzgebiete, Einzugsgebiete von Talsperren und andere Gebiete, die für die Gewinnung von Trink- oder Mineralwasser von Bedeutung sind, analysiert.
Ergebnis: Von 679,3 Quadratkilometer so genannter „Potenzialflächen“ für Fracking bleiben nach dem „Herausfiltern“ von Ausschluss-Flächen nur 54,2 Quadratkilometer übrig. Dies entspreche weniger als drei Prozent der Aufsuchungsflächen innerhalb der genehmigten Erlaubnisfelder „Ruhr“ und „Falke-South“. Zudem, so die Experten, müssten diese Gebiete nochmals auf so genannte „konkurrierende Nutzungen“ untersucht werden - zum Beispiel Siedlungs- oder Gewerbeflächen sowie Naturschutz- oder Überschwemmungsgebiete. Dies aber sei aber erst nach einer genaueren Abgrenzung sinnvoll.
Eine Schlussfolgerung der Expertise: Wenn man die öffentlichen Interessen - insbesondere den Schutz der Trinkwasserversorgung - und die nach derzeitigem Kenntnisstand nur unzureichende Aussicht auf eine wirtschaftliche Gewinnbarkeit auf den verbleibenden, relativ kleinen Potenzialflächen berücksichtige, stelle sich auf Basis aktueller Rechtsgutachten die Frage, ob eine flächenhafte Erschließung der Schiefergasvorkommen im Einzugsgebiet der Ruhr überhaupt genehmigungsfähig sein könne.
Robert Dietrich, Technischer Geschäftsführer der HSW: „Als Trinkwasserversorger wünschen wir uns eine sachorientierte Diskussion über das Spannungsfeld von Trinkwasserschutz und Fracking. Dieses neue Gutachten ist ganz sicher ein Beitrag dazu.“ Interessierte finden die Untersuchung auf der Homepage der AWWR unter www.awwr.de im Internet.