Nach dem Austausch ist vor dem Jugendaustausch: Bereits im Mai 2024 waren die erwachsenen Begleiterinnen und Begleiter der „Amis d’Olsberg“ zu Gast, von denen einige Mitte Juli 2024 ein nächstes Mal nach Olsberg reisen. Kürzlich besuchten sie das Konzert der MV Eintracht und das Antfelder Vogelschießen. Unvergesslich ist der Vortrag von Francis Boulouart, der auf beeindruckende Weise seine Geschichte erzählte- dies alles gefördert Französischen Bürgerfonds. Boulouart ist Sohn eines deutschen Soldaten, geboren im Januar 1943. Vom 15. bis zum 21. Juli 2024 kommen wieder um die 20 französische Austauschschüler nach Olsberg.
„Nur meine Frau wusste von der Identität meines Vaters. Ich hatte meine Existenz um einen abwesenden Vater erbaut, ein Phantom des Feindes“, beschreibt Francis Boulouart, wie es sich für ihn, der selbst Vater zweier Kinder ist, lange Zeit anfühlte. Die Ehe seiner französischen Mutter, die einen „Bastard“ geboren hatte, wurde nach Rückkehr ihres Mannes auf dessen Wunsch geschieden. Sie blieb allein, gab alles für sich und ihren geliebten Sohn. Sie heiratete nie wieder und hoffte lange Zeit auf die Rückkehr oder ein Zeichen seines Vaters. Es kam nicht. Was sie nicht wusste und nie erfuhr: Rudi, so hieß Francis’ Vater, war in Deutschland bereits verlobt und heiratete sehr bald, nachdem er zurückgekehrt war. Dass er einen Sohn in Frankreich hatte, verschwieg er seiner deutschen Frau und seinen deutschen Kindern bis in den Tod hinein. „In einem ersten Brief teilte mir mein Bruder mit, dass er das Gefühl hatte, dass unser Vater, den ich nicht mehr kennen gelernt habe, auf dem Sterbebett ein Geheimnis loswerden wollte, vielleicht wollte er ihm von der Existenz seines Sohnes in Frankreich erzählen? Aber er hatte nicht die Kraft“, so Francis Boulouart in seinem Vortrag. Immerhin hatte der Vater seine wahre Identität hinterlassen. Ein entsprechendes Dokument, das die Mutter ihm als Kind gegeben hatte, war das Einzige, was Francis von ihm hatte. Nicht selten sagte er in seinem Leben aus Scham, sein Vater sei tot.
Erst im Jahr 2009 erkannte Deutschland die „Besatzungskinder“ an, was auch der Initiative einer Vereinigung Betroffener zu verdanken ist, der Francis Boulouart mitangehört. Er selbst brauchte, so sehr es ihn drängte, 62 Jahre, bis er den Mut fand, seine Familie zu suchen. „Einer der Gründe, warum ich nicht früher nach meinem Vater gesucht habe, war der Gedanke an die Erschütterung, die ich damit in meiner deutschen Familie erzeugen könnte“, so der 81-Jährige.
Im Jahr 2005 intensivierte er die Suche und fand seine deutsche Familie recht schnell über die zentrale Personenkartei der WASt (Wehrmachtsauskunftstelle). Seit 1945 hat die WASt, die im Bundesarchiv in Berlin ihren Sitz hat, mehr als 10.000 Suchanfragen bekommen von Kindern, die eine französische Mutter und einen deutschen Vater haben. Sie archiviert 18 Millionen Personalkarten von deutschen Soldaten.
Die Geschichte von Francis Boulouart ist gleichzeitig schlimm und voll von Liebe. Seine Mutter, seine Familie in Frankreich und auch die deutschen Verwandten sind durchweg voller Empathie. Es kam zu später Versöhnung mit seinem Schicksal. „Meine deutsche Familie hat mich anerkannt und als ich fragte, ob ich die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen könne, hat sie mit Begeisterung zugestimmt. Nur Deutsch lernen solle ich doch unbedingt noch! Mein Leben ist aufgeteilt auf zwei Länder. Deutschland hat mir die Hand gereicht, ich habe sie ergriffen, ich bin ihm dafür dankbar.“
Aufeinander zuzugehen, das ist und bleibt so wichtig!
Austausch-Vortreffen
Am 15. Juli 2024 kommen einmal mehr um die 20 französische Austauschschülerinnen und Schüler mit erwachsener Begleitung nach Olsberg. Vortreffen dafür ist am Dienstag, 11. Juni, 18.30 Uhr im Ratssaal.
Francis Boulouart aus Frankreich, Sohn eines deutschen Soldaten, hielt einen spannenden Vortrag in der Stadtbücherei und überreichte anschließend Natacha Lafleur und Elisabeth Nieder (v.l.) ein Buch als Geschenk.
Foto: Sonja Funke